Warum Employer Branding in der Schweiz mehr als nur ein Trend ist
In einem Schweizer Arbeitsmarkt, der durch Fachkräftemangel, demografischen Wandel und steigende Mobilitätsbereitschaft geprägt ist, rückt ein Thema besonders ins Zentrum der strategischen HR-Arbeit: Employer Branding. Während der Begriff oft als Modewort abgetan wird, ist seine Bedeutung für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen kaum zu überschätzen. Wer heute nicht gezielt an seiner Arbeitgebermarke arbeitet, wird morgen keine Talente mehr finden – oder halten.
Was genau bedeutet Employer Branding?
Employer Branding umfasst alle strategischen Maßnahmen, mit denen ein Unternehmen sich als attraktiver Arbeitgeber positioniert. Ziel ist es, sowohl potenzielle als auch bestehende Mitarbeitende emotional und rational von der Arbeitgeberqualität zu überzeugen.
Anders gesagt: Employer Branding ist die Antwort auf folgende Fragen:
- Warum sollten sich talentierte Fachkräfte für Ihr Unternehmen und nicht für die Konkurrenz entscheiden?
- Was macht Ihre Unternehmenskultur einzigartig?
- Wie wird diese Einzigartigkeit authentisch erlebbar – nach innen wie nach außen?
Die strategische Bedeutung für Schweizer Unternehmen
Gemäss einer Studie von Swissstaffing aus dem Jahr 2023 sehen 72 % der Schweizer Unternehmen im Talentgewinnungsprozess ihre grösste HR-Herausforderung. Besonders in Branchen wie IT, Pflege, Bau oder Ingenieurwesen, in denen qualifizierte Fachkräfte Mangelware sind, kann eine starke Arbeitgebermarke entscheidend sein.
Ein Blick in die Praxis zeigt: Unternehmen mit klar positionierter Arbeitgebermarke haben nicht nur mehr Bewerber pro offener Stelle, sondern berichten auch von:
- geringerer Time-to-Hire
- weniger Fluktuation
- höherer Mitarbeiterzufriedenheit
Das Problem? Viele Arbeitgeber verlassen sich noch immer auf Stelleninserate mit den immer gleichen Standard-Phrasen und veralteten Benefits, während moderne Talente mehr als einen Parkplatz und Gratiskaffee erwarten.
Was Kandidat:innen heute wirklich wollen
Die Erwartungen der Arbeitskräfte haben sich verändert – und damit auch die Spielregeln im Recruiting. Im Zeitalter von Social Media, Glassdoor und TikTok sind Unternehmen keine geschlossenen Black Boxes mehr. Kandidat:innen recherchieren, vergleichen und bewerten – und spätestens ab der Generation Z spielt der kulturelle Fit eine grössere Rolle als das Gehalt.
Was sie suchen? Laut Deloitte Talent Survey 2022 unter Schweizer Berufseinsteiger:innen vor allem:
- authentische Kommunikation und transparente Führung
- Flexibilität bezüglich Arbeitszeiten und -orten
- sinnstiftende Tätigkeiten
- Möglichkeiten zur Weiterentwicklung
Wer in diesen Bereichen punkten kann, gewinnt nicht nur Bewerber:innen – sondern baut Vertrauen auf, das im Lauf der Employee Journey unbezahlbar ist.
Authentizität schlägt Hochglanz: Was funktioniert (und was nicht)
Employer Branding funktioniert dann, wenn es glaubwürdig ist. Klingt banal, wird aber in der Praxis selten beherzigt. Wenn ein Unternehmen beispielsweise auf seiner Karriereseite von flachen Hierarchien und offener Feedbackkultur spricht, während im Büro Tür an Tür schweigen herrscht, hat man ein Problem. Und Mitarbeitende, die das auf Kununu kommentieren.
Erfolgreiches Employer Branding beginnt daher immer innen – bei der Unternehmenskultur. Nur wer wirklich lebt, wofür er steht, kann dies auch nach draussen kommunizieren.
Ein gelungenes Beispiel aus der Schweiz: Die Migros-Gruppe setzt konsequent auf ihre Positionierung als sozialverantwortliche Arbeitgeberin, bei der Sinn, Sicherheit und Entwicklungsmöglichkeiten im Vordergrund stehen. Dieses Image zieht sich durch HR-Kommunikation, Benefits, Führungsleitlinien und Social-Media-Auftritte – und trifft damit den Nerv vieler potenzieller Bewerber:innen.
Der Weg zu einer starken Arbeitgebermarke – praxisnah umgesetzt
Employer Branding muss kein kostspieliges Agenturprojekt sein. Auch KMUs haben mit der richtigen Herangehensweise die Chance, sich im „War for Talents“ erfolgreich zu positionieren. Was es dazu braucht? Eine schrittweise, durchdachte Strategie – etwa entlang folgender Etappen:
- 1. Analyse der Ausgangslage: Wie wird unser Unternehmen aktuell von Bewerber:innen und Mitarbeitenden wahrgenommen? (z. B. durch Umfragen, Exit-Interviews oder Review-Plattformen)
- 2. Entwicklung einer Employer Value Proposition (EVP): Was bieten wir als Arbeitgeber – und was unterscheidet uns von anderen? Wichtig: Die EVP muss realistisch, relevant und differenzierend sein.
- 3. Interne Verankerung: Employer Branding beginnt beim bestehenden Team. Werden Mitarbeitende zu Markenbotschafter:innen, wirkt das stärker als jede Werbeanzeige.
- 4. Externe Kommunikation: Zielgerichtete Ansprache über Karriereseiten, Social Media, Messen, Fachforen – immer angepasst an Zielgruppe und Kanal.
- 5. Kontinuierliche Optimierung: Was funktioniert? Wo braucht es Anpassungen? Employer Branding ist kein Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess.
Typische Stolperfallen – und wie man sie vermeidet
In der Praxis gibt es einige wiederkehrende Muster, die Employer Branding Konzepte ins Straucheln bringen. Hier die häufigsten Fehler – und Vorschläge, wie man es besser macht:
- Schöner Schein statt gelebte Kultur: Wer nach aussen über Inklusion spricht, intern aber keine Diversitätsstrategie hat, riskiert einen Reputationsschaden.
- Einheitsbrei statt Differenzierung: Viele Unternehmen werben mit denselben Versprechungen (“kreatives Umfeld”, “motiviertes Team”). Mut zur Klarheit und Spezifik hilft mehr.
- Marketingdenken statt HR-Verankerung: Employer Branding ist kein reines Kommunikations- oder Imageprojekt. Die HR muss die zentrale treibende Kraft sein.
- Fehlender Dialog: Bewerber:innen und Mitarbeitende sind keine Zielgruppen – sondern Mitgestalter:innen. Employer Branding lebt vom Austausch.
Eine Investition, die sich rechnet
Employer Branding kostet – keine Frage. Zeit, Ressourcen, kreative Energie. Aber: Gute Arbeitgebermarken senken langfristig die Kosten für Personalgewinnung, weil sie die Sichtbarkeit und Attraktivität nachhaltig erhöhen.
Eine Analyse der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zeigt, dass Unternehmen mit starkem Employer Branding:
- bis zu 50 % weniger Recruiting-Ausgaben pro Einstellung haben
- bei gleichzeitiger Verkürzung der Time-to-Hire um durchschnittlich 23 %
- und einer bis zu 28 % höheren Verweildauer der Mitarbeitenden
Vor diesem Hintergrund ist Employer Branding keine Kür, sondern Pflicht – insbesondere für Schweizer Unternehmen, die auf Hochqualifizierte in einem zunehmend internationalen Markt angewiesen sind.
Jetzt handeln statt warten
Der beste Zeitpunkt, um an der eigenen Arbeitgebermarke zu arbeiten, war gestern. Der zweitbeste ist heute. Wer sich auf reine klassische Rekrutierung verlässt und Employer Branding ignoriert, wird nicht nur geringere Bewerbungseingänge verzeichnen – sondern mittelfristig auch an Glaubwürdigkeit verlieren.
Zum Schluss eine pragmatische Frage: Wenn Ihre besten Mitarbeitenden morgen einen attraktiven Job auf LinkedIn sehen – würden sie überhaupt klicken?
Wenn Sie bei dieser Frage zögern, kennen Sie jetzt einen möglichen nächsten HR-Schwerpunkt.